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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 31.1932

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Heft 6
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Dangers, Robert: Die Wilhelm-Busch-Jubiläumsausstellung in Hannover
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Riemerschmid, Richard; Lamm, Albert: Wege und Irrwege unserer Kunsterziehung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7616#0238

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risch entworfen, die Verse kamen hinterher. Die Ausstellung zeigt ganz oder teilweise
die Originale zu neunundvierzig großen und kleinen Bildergeschichten. Es sind Blätter
und Hefte, die Zeichnungen mit Bleistift, Feder oder Pinsel bringen, dazu den hand-
schriftlichen Text, alles im graphischen Gesamtbild. Viele Zeichnungen sind leicht ge-
tönt mit Wasserfarben oder Buntstiften. Jeder Vergleich mit den gedruckten Ausgaben
zeigt den großen Abstand vom Original. So bleibt für die Zukunft die Forderung nach
Herausgabe der Originalmanuskripte in guten Lichtdrucken bestehen.

Wege und Irrwege unserer Kunsterziehung

I. Einwand von RICHARD RIEMERSCHMID

In seinem Aufsatz: Erwiderung an Hans Meid im Märzheft 1932 hat Albert Lamm meine
Schrift: „Wege und Irrwege unserer Kunsterziehung" genannt und die Bemer-
kung dazu gemacht, daß dort „nichts Geringeres verlangt werde, als daß das Natur-
studium aufgegeben werden soll, da der Maler aus dem Kunstgewerbe hervorzugehen
habe, schöne Flächen liefern solle und hierzu das Fotografieren mit der Hand nicht zu
erlernen brauche"

Nun habe ich solchen Unsinn nie gedacht und auch nie geschrieben. Daß man ihn den-
noch aus meiner Schrift herauslesen kann, bedauere ich sehr, aber ich kann, glaube ich,
nichts dafür. Doch liegt mir daran, daß gerade vor den Lesern dieser Zeitschrift das
Mißverständnis nicht ganz ungeklärt bleibt.

Ja, diese Art von sogenanntem Naturstudium, wie sie in vielen „Naturklassen" heute
noch geübt wird, diese bequeme, geistlose und begeisterungslose Art, Aktmodelle und
ähnliches abzuzeichnen oder abzumalen, die weniger auf das Gewinnen lebendiger Form-
vorstellungen abzielt, als auf das „richtige" Übertragen des Modells, wie's auf dem Podium
da oben steht, auf das Papier oder die Leinwand, diese Art des Naturstudiums habe ich
allerdings immer bekämpft; aber nur in dem Sinn, daß es zu ersetzen ist durch ein
viel ernsteres, leidenschaftlich sich hingebendes, durch ein zum Wesentlichen vordringen-
des, die räumliche Form der Einbildungskraft einverleibendes Naturstudium. Freilich ist
das schwierig und anstrengend, auch wird es durchaus nicht nur in den Schulsälen, sondern
noch mehr unmittelbar vor dem ausdrucksvollen Leben und der Fülle seiner bewegten
Erscheinungen sich abspielen. Wer aber diese Schwierigkeiten nicht bewältigen kann,
der sollte — das, meine ich, wäre der richtige Weg, um zu verhindern, daß immer weiter,
mit Staatshilfe und auf Staatskosten das „Kunstmaler"-Proletariat vermehrt wird — ge-
rade durch die Schule hingewiesen werden auf andere und für ihn besser sich eignende
Möglichkeiten, aus seiner Formbegabung etwas herauszuholen, was dauernden Wert hat.
Auf diesen anderen Gebieten brauchte er dann vielleicht, als Goldschmied z. B. oder
als Handweber, überhaupt kein Naturstudium in dem Sinne, wie's der Maler oder Graphiker
braucht, und vielleicht bewährt er sich dabei doch als eine kräftige Begabung. Jeder soll
eben dahin geführt und dort heimisch gemacht werden, wo gerade das Talent, das er
hat, sich ausbilden und gedeihen kann, und das vergebliche Bemühen, ihm so ein Normal-
talent, wie es zu hübschen Erfolgen auf der Kunstausstellung führt, anzuerziehen, könnte
meinetwegen unbedenklich ausgerottet werden.

Die Gestaltungskraft ist der Kern der künstlerischen Begabung, unter der ich nicht Ge-
schicklichkeit, sondern schöpferischen Trieb zum Sichtbaren verstehen möchte; und der
Gestaltungskraft vor allem andern muß deshalb auch die Erziehung gelten. Viele von

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